Marinefrack




Ich habe mich früher gerne verkleidet und habe mich vornehmlich mit den Freundinnen verabredet, die eine gut ausgestattete Verkleidungskiste zuhause hatten. Prioritäten müssen nunmal gesetzt werden. Es gibt diverse Fotos auf denen ich Katze, Pippi Langstrumpf oder alte Frau mit mit Wasserfarbe gemalten Falten war. Und dann gibt es noch die Fotos aus Teenagerjahren, auf denen ich aussehe, als wäre ich verkleidet, war ich aber nicht. Das trug man damals so. Also ich. Leider.
Mittlerweile tanze ich gerne auf dem schmalen Grat zwischen angeguckt werden aufgrund des Andersaussehens und angestarrt werden aufgrund des Andersaussehens. Das war auch meine Intention, mit der ich das Nähen angefangen habe. Unter anderem. Nähen ist wie zaubern können


Mit diesem Projekt habe ich mir einen Wunsch erfüllt. Ich wollte einen Frack haben und das auch schon länger. Und habe, nachdem ich keinen hochwertigen oder bezahlbaren fand, nach einem Schnitt gesucht. Ich habe genau zwei Schnittmuster für Damenfräcke (ist der Plural nicht entsetzlich? Ich musste ihn googeln) gefunden. Einen Faschingsschnitt von Burda und einen von einem Hersteller namens Lekala, die Schnittanpassungen nach Maß anbieten. Das klang ganz attraktiv und im Tausch zu den eigenen Körpermaßen bekommt man einen Schnitt zum Ausdrucken zugeschickt. Leider wollte der Schnitt mir erzählen, dass ich das Futter genauso zuschneiden soll, wie die Teile des Außenstoffes, um das dann letztendlich zu verstürzen und auch auf Nachfrage, wurde versucht mir weißzumachen, das gehöre so. Ich habe dann meinen Futterschnitt mithilfe von Trotz, Wut und Unterlagen meiner studierten Modedesignarbeitskollegin selber erstellt. Wer also keinen Notfallplan für Futterschnitte in petto hat, sollte sich gegebenenfalls an dem Faschingsschnitt versuchen.


Der Frack ist außerdem ein Hybrid aus dem Schnitt und einem alten Marinemännermantel in Größe 54, den ich aufgrund der Sackigkeit leider nicht selber tragen konnte. Ein Upcyclingprojekt quasi. Mein Vater, als ehemaliger Marinist hat kurzzeitig Schnappatmung bekommen, als ich erzählte, dass ich einen solchen auseinandergeschnitten hätte. Das war aber ein absolutes Erlebnis. In Zeiten von Wegwerfmode sieht man selten so gut verarbeitete Kleidung.


Ich habe sogar eine Rosshaareinlage herausgepult, die ich wiederverwenden konnte. Und auch die vorderen, schon fertigen Belege habe ich einfach mitverarbeitet, genauso wie den Kragen, den ich abgetrennt und wieder angenäht habe. Das hat mir die Zeit, die mir der Futterschnitt gemopst hat, zurückgeschenkt.
Der hintere Gürtel ist auch von dem Mantel übernommen und die traumhaften Knöpfe sowieso.
Das Futter habe ich mit den Schößen verstürzt und im Oberen Teil, sowie in den Ärmeln von Hand angenäht. Die vorderen unteren Kanten habe ich mit Satinschrägband eingefasst.

Ich bin super zufrieden und ziemlich stolz. Der Frack ist etwas besonderes und fällt auf, aber ich kann ihn absolut im Alltag tragen, ohne mich verkleidet zu fühlen. Aber wenn jemand fragt, bin ich halt ein Pinguin!

Ich habe heute die Ehre, beim MeMadeMittwoch die Gastgeberin zu spielen. Für mehr selbstgenähte Kleidung geht es hier lang



8 Antworten zu “Marinefrack”

  1. wow, ich bin soooo begeistert! du wirst mir jedes mal noch sympathischer 😉 ich bin auch schon ewwwwwwwwig auf der suche nach einem frack, habe aber bisher auch nie den richtigen gefunden 🙁
    ich finds einfach nur megatoll, dass du dir einen selbst erstellt hast und dann auch noch ein upcyclingprojekt, yeeeha! ♥
    sieht super aus! du kannst wirklich stolz sein!

    übrigens hätten wir uns auch schon als kinder gut verstanden – ich hatte eine groooße verkleidungskiste und hab immer alle um mich rum geschminkt 😀 verkleiden finde ich selbst heute noch super!!!

    liebste grüße,
    maze

  2. Was für ein cooles Teil!!!
    Vor allem die Ärmelsäume und die Rückseite – und natürlich das Material! – machen den Frack so besonders. Ich bin schwer begeistert.
    Liebe Grüße
    Antje

  3. Also ganz ehrlich: ich glaube der alte Marinemantel kann sich mehr als glücklich schätzen, zu so einem coolen Teil verarbeitet worden zu sein! Ich muss gestehen, dass ich ihn nicht im Alltag tragen würde. Aber für Party oder festliche Anlässe finde ich ihn genial! Richtig richtig toll!
    Liebe Grüße, Lena

  4. Wow, was für ein tolles Teil. Ich bin zwar etwas spät mit meinem Kommentar, weil ich Deinen Blog gerade erst entdeckt habe, werde aber auf jeden Fall ab jetzt häufiger hier reinschauen. Das Du den alten Marinemantel als Material verwendet hast gibt mir Hoffnung. Ich habe sooo viele Klamotten hier, die mir nicht mehr passen. T-Shirts enger machen ist kein Ding. Pullover auch nicht. Aber mein selbgenähter Mantel, dessen Stoff zudem noch teuer war und mir nun leider viel zu groß ist – an den habe ich mich bisher nicht rangetraut. Diverse Abnäher, Vordertaschen usw. haben mich bisher dazu bewogen, ihn liegen zu lassen. Aber noch ist nicht aller Tage abend.
    Gruß in meine alte Heimat Hamburg, die ich so vermisse,
    Julia

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