Das Internet bringt viele positive Aspekte mit sich. Austausch, Inspiration, Vernetzung. Aber leider auch den zunehmenden Zwang zu Anglizismen und Neologismen um die aufploppenden Phänomene zu beschreiben, die die Kommunikation im 21. Jahrhundert begleiten: „Shitstorm“ „Interhetze“ „Twittermob“, man kommt gar nicht mehr hinterher, mit der Betitelung. Aber in der deutschen Bürokratiegesellschaft muss alles ordnungsgemäß benannt werden, also geben wir uns Mühe. Geschriebenes Wort wird interpretiert, beleuchtet, aus Kontexten gerissen und in neue gebracht. Und wehe bloß, es sei der Falsche, denn dann zwingen uns die Gegebenheiten natürlich, den Urheber neu zu betiteln, wie wir eben dem menschlichen Zwang unterliegen: „Homophob“, „Antifeminist_in“ „Sexist_in“ und wenn es hart auf hart kommt, muss man sogar zu dem Lieblingsschimpfwort der Internetgesellschaft „Nazi_in“ greifen, da hilft alles nichts. Und wenn der erste auf die Idee kommt: „Ich habs, der da ist ein Nazi“, dann klatscht das gesamte Internetolympiastadion Beifall und stimmt Hetzgesänge und La-Ola Wellen an. Ich sehe das ein, das müssen wir auch, weil Gemeinschaft und Identität ist ja wichtig.
Moderner Krieg ist so einfach, so bequem, so anonym. Die überschüssige Energie, die man früher bei der Bäckereifachverkäuferin, oder Discounterkassiererin abgeladen hat, die kotzt man jetzt hinaus in die Welt. Man muss sich noch nicht einmal hinausbewegen, man kocht sich einfach einen Yogitee, setzt sich auf seinen ergonomischen Küchenstuhl – man muss ja auf sein Rückgrat achten- und zeigt mit dem virtuellen Finger auf Menschen, auf die schon ein paar Finger zeigen. Das ist praktisch. Man bekommt Likess, Reposts und kann schwer dafür angezeigt werden, wenn man sich eventuell strafbar macht. Und man kann dazu noch ignorieren, dass vielleicht wirklich auch Menschen auf der andereren Seite der Leitung auf unbequemen Anklagesstühlen sitzen, die für Folgeschäden sorgen.
Die Duelle der Neuzeit werden auf selbstgewählten Plattformen, mit selbstgewählten Waffen ausgetragen. „Möchten sie ihre normale Smartgun auf Twitter upgraden? Sie können damit 140 Schüsse in kürzester Zeit abfeuern.“
Ich bin dankbar, dass ich bastle und nähe und nicht hauptsächlich schreibe. Im DIY-Sektor geht es allgemein flauschiger zu, es geht viel um Bereicherung und Zuspruch, Teilen von guten Ideen und Gemeinschaft. Ich bin dankbar für jeden netten Kommentar, denn so ein zart besaiteter Mensch wie ich, der schon beim Verlust eines Lesers zwei Tage in Selbstmitleid zerfließt, lethargisch in der Ecke liegt und sich nur noch von Brühwürfeln ernährt, könnte einem wilden Internetmob womöglich nicht standhalten.
4 Antworten zu “Hetz mich nicht!”
Liebe Ann-Sophie, Du sprichst mir aus dem Herzen!
Schmeiß die Brühwürfel aus dem Fenster und denk daran: Du gibst dein Bestes auf deine ganz eigene Weise und das ist auch gut so!
Ich liebe deinen Blog und freu mich über jeden Beitrag auch wenn ich kein stetiger Kommentierer bin 😉
Es grüßt mit verwandtem DIY-Herzen
Anita
Liebe Anita.
Ich freue mich immer sehr über Kommentare, auch wenn sie nicht stetig kommen und dann auch noch so ein schöner. Vielen Dank dafür.
Ich werde mit Brühwürfeln um mich schmeißen, versprochen. Mit so lieben Lesern kann ich gar nicht anders.
Ganz liebe Grüße aus Hamburg,
Ann-Sophie
Hallo 😉 ,
ich bin keine konstante Leserin, aber wenn ich mal vorbei sehe, freue ich mich sehr, dass ich mir die Zeit dafür genommen habe!
Grüße aus Hamburg Nadine
Liebe Nadine.
Wie schön, das freut mich zu hören.
Liebe Grüße auch aus Hamburg =)
Ann-Sophie