Von tierfreien, selbstbestimmt lebenden, Weltverbesserer_innen


Ich studiere in einem Umfeld, in dem es viele Menschen gibt, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, sich mit ihresgleichen zu verbünden,

das Leben

anderer nach ihren eigenen Wünschen mit aller Kraft zu modifizieren

(und sich bei erfolgreicher Modifikation wieder mit dann ihresgleichen zu verbünden). Seitdem ich mich

vegan

ernähre, fällt es mir besonders auf. Das ist wie im Auslandsurlaub, man darf nicht zu laut sprechen, sonst steht

wie aus dem Boden gewachsen

ein ziemlich rundlicher, schwitzender Mann in kurzen Badeshorts, Unterhemd, Anglerhut und Crogs neben einem. Nach dem Motto viel hilft viel g

ibt sich seine Sonnencremeschicht  die größte Mühe, den Sonnenbrand zu verdecken

, aber angesichts des Ausmaßes ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Hinter ihm,

irgendwo auf Hüfthöhe

, lugt der Kopf seines ihm angetrauten Weibes hervor. Während ich, noch völlig fasziniert von dem

Fleischgewordenen

(erneuter verweis auf schlechten Wortwitz)

Klischee

alle Eindrücke in mich aufnehme, dröhnt seine Stimme

flächendeckend

in meinen gepeinigten Gehörgang: „Ah, sind Sie Deutsche?

Wir sind auch Deutsche

! Woher kommse denn?“ „Ähm… aus Hamburg“ „Aaaaaaaah, Hamburch, auf der Reeperbahn Nachts um halb eins“ er lacht und der Boden vibriert. „

Mein Onkel is da am wohnen, in Pinnebärch

“ Ich übergehe den Kommentar geflissentlich, obwohl mein

Klugscheißerhirn

kreischt: „Sags ihm, sag ihm das Pinneberg zu Schleswig Holstein gehört“. Er redet weiter: „Also wir komm‘

ausm Pott

“ er nickt wohlwollend. „Hömma,

wir sind grad zum Strand am gehen

, solln wir eurer Zoich auch aufne Liege legen? Wenn die da….“ er nickt zum Hotel hinüber „…erstmal ne Liege haben, dann

tunse den ganzen Tach nimmer aufstehn

.“ „Ähm…“ Ich starre völlig

paralysiert auf seinen wackelnden Bauch

, er hat sogar im Bauchnabel Sonnenbrand „… nein danke,

wir sind nur am wandern, äh, ich mein wir wandern nur

und gehören nicht zum Hotel“…

Gesehen in der Schanze

Solche Szenarien

ploppen vor meinem geistigen Auge auf,

wenn ich im Café

flüsternd

nach Sojamilch frage. Wer weiß wie

erdnah und organisiert die militanten Veganer

meiner Studienheimat sind, vielleicht gibt es bereits die unterirdischen Tunnel, in denen Patrouille gelaufen wird und jedes mal wenn eines der Indizworte fällt, drückt die

bestochene Servicekraft

den Knopf und an dem jeweiligen Ausgang leuchtet dann das rote Licht. Anders kann ich mir nicht erklären, dass, als ich ein zweites Mal nachfragen musste, dazu platzierte die etwas über mein geheimnisvolles Verhalten irritierte Servicekraft ihr Ohr direkt vor meinem Mund, plötzlich ein Kerl neben mir steht, der

triumphierend kräht:

„Ah,

du bist Veganer_in? Ich bin auch Veganer_in!

“ Und während ich mich noch bemühe ihm zu erklären, dass ich

nicht Veganer_in bin, sondern mich nur tierfrei ernähre

und das meiner Meinung nach ein

großer Unterschied

ist, hat er schon seine Karte gezückt:“

Thorben, Veganer_in, WennDuAnKäseDenkstKommstDuInDieHölle@veganemissionierungsgruppe.de

„Möchtest du in unsere

vegane Missionierungsgruppe

? Wir sind total

offen und so

. Jeder darf mitmachen…. der 5 Menschen dazu gebracht hat Veganer zu werden und seine Tiere, Pflanzen und Kinder vegan ernährt und selbstbestimmt leben lässt. Wir bringen alle Menschen auf der Welt dazu, sich vegan zu ernähren“ Seine Augen glänzen bei der

Vision

. Sieht fast

ein wenig irre aus

. „

….notfalls mit Gewalt

“ ergänze ich seinen Satz im Geiste.

Flucht, Flucht Flucht.


Gesehen, oh wunder, in der Schanze

P.S.:

Ähnlichkeiten

mit lebenden oder toten Personen sind

voll
ausversehen

, aber absolut nicht ausgeschlossen, weil ich

kräftig
Klischees bedient habe

und die ja auch irgendwoher kommen müssen.

Nein, ich möchte andere Menschen

nicht davon überzeugen, dass die einzige Art richtig zu leben, meine ist.

Ich

informiere gerne, aber ich missioniere nicht

. Ich erkläre gerne geduldig und langsam, wenn nötig mehrmals, dass es genug Dinge gibt, die man essen kann,

nein man muss sein Müsli nicht mit Wasser essen

, nein, man isst auch nicht nur Gemüse und Obst was von selbst auf einen zugekrochen kommt und

darum bettelt gegessen zu werden

und ja,

Bakterien esse ich mit.

Ha Ha.

Vorallem nein, ich möchte keine

millionste Vegane Ernährungsdisskussion führen

, weder mit

Veganern, noch mit Anti-Veganern

und nein ich möchte auch niemandem auf den Schlips treten.

Bemerkenswert, dass man das in dem Mileu der

Verfechter der Selbstbestimmung

ausdrücklich hervorheben muss, ohne

liebevoll zu Tode diskutiert

zu werden.


8 Antworten zu “Von tierfreien, selbstbestimmt lebenden, Weltverbesserer_innen”

  1. Ohja, mir kommt auch einiges bekannt vor! 😀 Und meiner Erfahrung nach sind die, die am lautesten nach Toleranz schreien, diejenigen die intolerant sind.
    Viele Grüße
    Antje

  2. 😀 Haha, kommt mir doch sehr bekannt vor!^^ So what – Menschen halt. Man darf ja wählen, ob man mitdiskutieren will! 😉

    Solang du noch drüber schmunzeln kannst! 😀

    LG, Frau Momo

  3. Wirklich erheiternd, kommt mir so bekannt vor 😀 Anfangs wollte ich auch die Welt verbessern, aber da bin ich drüber weg. Jeder muss selber auf den Trichter kommen.
    Sonnenbrand im Bauchnabel, na danke, nun krieg ich das Bild nicht mehr weg 😀

  4. Erheiternd zu lesen! Gut zu wissen, dass es noch Menschen gibt die sich als Inbegriff der Weisheit sehen und jedem ihr vermeintlich "richtiges" Denken aufdrängen wollen. Cheers!

  5. Ja, das entspricht natürlich dem Zeitgeist, dass man zwar für sich etwas tun kann, was man für gut hält, aber wenn man versucht, andere zu überzeugen, könnte das das Dogma der postmodernen Beliebigkeit stören und ist deshalb verpönt.
    Man darf also selbst vegan leben, aber wenn man Überzeugungsarbeit leistet, verstößt man gegen das Dogma, dass alles gleichwertig sei (z.B. dass es gleich gut sei, wenn man Tierprodukte konsumiert, für die Tiere in Tierfabriken leiden müssen wie wenn man sich vegan ernährt und dass jeder, der das nicht so sieht, ein ganz schlimmer Ketzer ist, weil er sich der Gleichwertigkeitsideologie nicht unterordnet und jemandem etwas "aufdrängen" will).
    Natürlich gibt es Leute, die auf aufdringliche oder unangenehme Art Überzeugungsarbeit leisten, und das kann man kritisieren.
    Aber dass "Weltverbesserung" zu einem Schimpfwort geworden ist, finde ich schon traurig. Dass man nur selbst tun dürfe, was man will, aber nur ja nicht gegenüber anderen zu seiner Überzeugung stehen soll, gehört zum postmodernen Beliebigkeits- und Gleichwertigkeitsdogma, das heute in gewissen Kreisen wahrscheinlich ähnlich mächtig ist wie früher religiöse Dogmen.

  6. Lieber Adrian.

    Hier wird niemand beschimpft. Wenn du dich durch das Wort Weltverbesserer angesprochen und angegriffen fühlst, dann tut mir das sehr leid.
    Du darfst dich gerne dem Dogma der postmodernen Beliebigkeit entziehen und missionieren, wie dir die Nase gewachsen ist.
    Du darfst aber auch gerne mein Dogma der Ironie erkennen und dich selber nicht so ernst nehmen.
    Gut, dass man im Zeitgeist des postmodernen Gleichwertigkeitsdogmas die Wahl hat, nicht wahr?

    Liebe Grüße
    Ann-Sophie

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